100.000 VOLT UNTER FREIEM HIMMEL.
Gespräch mit
Fritz Staudinger
Sie sind die Monster unter den Events - Mega Open Airs. Sie bescheren uns die schönsten Stunden und die unvergesslichsten Momente. Worauf kommt es neben Wind, Wetter und Wolkenbruch sonst noch an? BMS Mastermind Fritz Staudinger verrät Essentielles aus über 20 Jahren Erfahrung mit Mega-Open Airs: 10 Fragen – 10 Antworten.
Frage 1
Worauf kommt es bei Open Airs an? Was ist das Besondere, außer dem Wetter?
Fritz Staudinger
Außer dem Wetter? Das Wetter! Das Wetter führt bei Open Airs Regie. Die Wetterunsicherheit hat in den letzten Jahren stark zugenommen, mit Stürmen und starken Winden. Die Open Air Bühne muss dem halt standhalten. Der Statiker hat das Sagen. Da gibt es, sagen wir, eine Windgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometer – also dauerhaft, nicht nur eine einzelne Böe – dem halten die Bauten stand. Wenn es darüber ist, dann heißt es: Platz räumen. Früher hat man sich auf Wetterwarten verlassen, das ist aber inzwischen zu ungenau. Das heißt, wir setzen heute auf eine Wetterstation vor Ort, oder einen Wetterfachmann. Heißt auch: engere Zusammenarbeit mit dem Veranstalter. Im Falle von drohendem Schlechtwetter bilden wir Krisenstäbe und treffen uns jede Stunde.
Frage 2:
Das jährliche Alpen Open Air Bad Kleinkirchheim, Ski-Weltcup-Eröffnung, der Wings for Life Run, undundund – BMS gilt als Open Air Spezialist. Habt ihr einen eigenen Equipement-Park für Open Airs?
Fritz Staudinger:
Die Parole lautet: wie schützen wir unsere Technik. Vor allem LEDs sind extrem empfindlich. Wenn die Feuchtigkeit auf die Platine kommt, dann kommt der Kurzschluss und dann beginnt das große LED-Sterben. Bei 08/15 PAR 64 ist der Innenteil der Lampe durch den Halogenbrenner so heiß, dass das Wasser verdampft, durch das offene Gehäuse rinnt die Flüssigkeit ab. LED ist aber ein relativ kaltes Licht, außerdem wird die Wärme meist hinten abgeführt. Wenn sich dann, zum Beispiel im Winter, Schnee auf der LED festsetzt und schmilzt, dann ist das für die LED der Todesstoß. Wir setzen deshalb aufblasbaren Regenschutz oder Plexiglaskuppen ein. Heikle Elektronik, wie Dimmer oder Stromversorgung halten wir möglichst kompakt und bringen sie regensicher in Containern oder Zelten unter. Mit dabei sind meist auch beheizte Zelte, das hält nicht nur die Technik warm, sondern auch die Mannschaft. Und andererseits, bei sommerlicher Hitze reichen in in 80 Prozent der Fälle einfache Ventilatoren. Zelte sind ja nie 100prozentig dicht sondern immer luftig. Im Grunde ist es ein dauernder Lernprozess, – und Schaden macht klug.
Frage 3:
Gibt es Unterschiede zwischen Open Air Technik und Indoor Technik?
Fritz Staudinger:
Grundsätzlich: nein. Natürlich gibt es spezielle Geräte, vor allem Lampen, die outdoortauglich sind. Wie man kürzlich auf der Prolight & Sound in Frankfurt gesehen hat gehen die Lichtequipmenthersteller vermehrt in die Herstellung von Indoor- und Outdoortauglichen Scheinwerfer zu fairen Preisen und in perfekter Größe. Aber unterm Strich rechnet sich das – bis jetzt – noch nicht. Kostengünstiger ist es, Indoor-Geräte wetterfest zu machen. Einen wesentlichen Unterschied gibt es jedoch beim Aufbau, bei der Logistik. Grundsätzlich gilt: Für Indoor kurze Kabelwege, für Outdoor sichere Kabelwege. Im Unterschied zu Indoor suchst du dir Outdoor zentrale Punkte, wo die Technik wetter- und wasserfest gemacht wird, also Wetterinseln. Ein Beispiel: Indoor stehen die Boxen und die dazugehörigen Verstärker meist unter der PA, da geht ein Kabelstrang runter, dort wird angeschlossen, fertig. Outdoor denkst du um und machst zum Beispiel bei der Bühne eine zentrale Stelle, wo die Technik wassersicher, regensicher, sturmsicher untergebracht ist. Links und rechts wird an einer Stelle kombiniert, das Kabel wird wetterfest verlegt, die Endstufen befinden sich dann geschützt in einem Zelt. Deshalb braucht man bei Open Airs auch länger für den Aufbau, da ist Nachdenkarbeit zum Schutz deiner Technik gefragt, du malst dir Szenarien aus, wo kommt das Wasser her, wo kann es reinkommen, steht die Technik hoch genug, wo fließt das Wasser hin ...., das ist eine andere Logistik.
Frage 4:
Ein Beispiel?
Fritz Staudinger:
Die Sommerfestspiele Melk. Das Ganze findet auf einer Halbinsel an der Donau statt, da ist es in der Nacht immer feuchter. Hier haben wir im Vorfeld umfangreich getestet und quasi eine Lampenaudition gemacht. Welche Lampen halten das besser aus, was spielt zuverlässig. Natürlich macht es auch einen Unterschied, ob das Open Air nur ein einmaliges 2-Tage-Ereignis ist, oder ob eine Produktion über 10 Tage und mehr läuft, da ist die Wahrscheinlichkeit naturgegeben sehr hoch, dass du mal Wind oder Regen hast.
Frage 5:
Stichwort Fernsehaufzeichnung im Freien: Was gibt es hier für einen Unterschied zwischen drinnen und draußen?
Fritz Staudinger:
Natürlich ist das Freiluftevent bezüglich des Lichtes eine größere Herausforderung. Die Halle ist ja verdunkelbar und es gibt eine Lichtstimmung. Bei Fernsehaufzeichnungen im Freien ist immer das Thema, wann geht's los. Startet die Aufzeichnung um 20 Uhr 15, dann hab ich in Sommermonaten noch Tageslicht und irgendwann um 21 Uhr 15 den Wechsel auf Dunkelheit. Das ist für die Kamera, die Aussteuerung und auch für die Lichtsetzung ein zusätzliches Kriterium. Während ich in einer Dunkelhalle bei Halogenlicht spielen würde, ist das im Freien bei einem Open Air nicht möglich, das muss ja tageslichttauglich sein. Geht es dann rüber in die Nacht müsste es eigentlich wieder Halogenlicht sein, weil das angenehmer für das Fernsehlicht ist. Das muss man schon sehr genau behirnen, wie man das am geschicktesten löst. .
Frage 6:
Was hat sich in den letzten Jahren bei Open Air verändert? Hat sich was verändert?
Fritz Staudinger:
Ein großes Thema ist zweifellos die Sicherheit. Das war früher nicht so. Da hat man die sogenannten klassischen Schönwetterbühnen aufgebaut und gehofft, dass es nicht regnet. Obwohl: Wenn du bei 34 Grad und blitzblauen Himmel aufbaust, ist es schwer vorstellbar, dass dir in zwei Tagen alles um die Ohren fliegen kann. Aber da denkt man heute anders. Da ist, auch aus Erfahrung, vieles verbessert worden. Der Veranstalter hat ja eine große Verantwortung für eine große Anzahl von Menschen. Da geht der Schutz von Menschen eindeutig vor. Bevor jemand zu Schaden kommt, lässt man halt die Probe ausfallen, wenn das Gewitter schon über dir hängt. Man weiß ja nie, ob und wann und wo der Blitz einschlägt, da wurde man in den vergangenen Jahren schon vorsichtiger und weit vorausschauender. Ein weiterer Aspekt ist auch der Klimawandel. Es wird ja auch immer öfter von einstürzenden Bühnen berichtet, vor allem in Amerika, da geht man offensichtlich noch von anderen Sommern aus. Der Klimawandel ist schon sehr spürbar und da wird sich auch in Zukunft bezüglich der Sicherheitsstandards noch vieles ändern.
Frage 7:
Ist die Zeit der absoluten Monster-Events – man denke nur an die Pink Floyd "The Wall"-Tournee – vorüber?
Fritz Staudinger:
Also Mega-Events, die gibt's ja immer noch. Beim letzten AC/DC Konzert in der Steiermark mit 100.000 Menschen sind ja auch noch die Sattelschlepper angerückt mit einer dementsprechend großen Produktion. Das Wettrüsten hat früher ausschließlich auf dem Sektor Licht stattgefunden, mit Projektionen, Filmen einspielen, etcetera. Heute hat sich das mehr ins Multimediale verlagert, LED-Wände und LED-Elemente sind die Hingucker, aber das Wettrüsten findet nach wir vor statt, wer hat die größeren LED Wände, wer überträgt noch besser. Insofern hat sich nichts geändert und wird sich auch nichts ändern.
Frage 8:
Wohin geht der Trend? Wird Technik kleiner und kann dafür mehr?
Fritz Staudinger:
Nein, glaub ich nicht, es werden gewisse Baugrößen kleiner, weil man es geschafft hat, sie leistungsstärker zu machen. Aber es wird nie möglich sein, 100.000 Leute von einer Links-Rechts-PA bei einem Open Air zu beschallen, da wird man immer Delay-Towers brauchen, weil man die Physik einfach nicht überlisten kann.
Frage 9:
Mal ehrlich: Outdoor oder Indoor, was machst du lieber?
Fritz Staudinger:
Kann ich nicht sagen. Nervig bei Outdoor ist halt immer, wenn ein Konzert aus Wettergründen abgeblasen wird, oder der Skiweltcup nach einer Woche Aufbau doch nicht stattfindet, die ganze Mühe, alles umsonst, es fehlt dann einfach das Erfolgserlebnis. Indoor, Outdoor, beides ist im Grunde eine Frage der Herausforderung. Ein Beispiel: der Song-Contest in der Wiener Stadthalle, die ja doch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Die große Herausforderung ist, wie kann ich die moderne Technik mit steigenden Dachlasten in so eine veraltete Halle bekommen. Genauso Outdoor, eine Olympiaeröffnung ist ein eindrucksvolles Spektakel wo alle hinschauen, ein gefülltes Stadion mit 100.000 Leuten ist auch wirklich imposant. Oder die Halftime-Show bei der NFL, da schaut auch jeder hin was die dieses Mal wohl zu bieten haben. Die Veranstalter versuchen das jedes Jahr zu toppen. Die Youtube-Klicks von der Halftime-Show sind ja noch immer gewaltig. Open Airs sind vielleicht, trotz der vielen Technik, urwüchsiger, archaischer, bieten eine zusätzliche Erlebnisdimension, wirken nachhaltiger.
Frage 10:
Letzte Frage: Woher kommt die Open Air Kompetenz von BMS? Aus der Rock'n Roll Vergangenheit?
Fritz Staudinger:
Zuerst war's die Begeisterung, dann kamen kleinere und größere Rückschläge, und dann die Erfahrung. Jetzt, nach so vielen Jahren, nach so vielen Open Airs sind wir wieder bei der Begeisterung. Und bei der bleibt's.
Danke für das erfrischende Gespräch.
Ing. Fitz Staudinger ist geschäftsführender Gesellschafter der BMS Production Group, sowie Dozent und Trainer der öffentlich, rechtlichen Werkmeisterschule für Veranstaltungs- & Eventtechnik